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Im Fokus

Peter Kulka

Peter Kulka / Zeichnung von Christian Löwnau

Peter Kulka - ein persönlicher Nachruf

„Ich erinnere mich an das Wintersemester 1986, Wolfgang Döring hatte den Architekten Peter Kulka aus Köln an die RWTH Aachen geholt. Ein bemerkenswerter Mensch, anders als all die übrigen Professoren; eher ein Künstler, der in keiner Weise dem Klischee des erfolgreichen Architekten der 1980er Jahre entsprach und entsprechen wollte. Wir wussten nur, dass er die Uni Bielefeld gebaut und - seinem mönchischen Erscheinungsbild entsprechend - Sakralräume gestaltet hatte.

Anders als die Lehrstühle der etablierten Aachener Professoren fand sich Peter Kulkas Fachgebiet „Konstruktives Entwerfen“ als einziges im Untergeschoss des sogenannten Reiff-Museums. Den Weg dorthin musste man schon bewusst wählen; dann jedoch fühlte man sich der beeindruckenden Präsenz und bemerkenswerten Intensität eines ganz besonderen Lehrers ausgesetzt.

Seine Vorlesungen erschöpften sich anfangs meist in Aussagen wie: „Dieses Bild spricht für sich“ oder „Wie Sie sehen“. Seine Entwurfskorrekturen, die häufig Monologe waren, endeten meist mit der Frage: „Verstehen Sie mich?“ Peter Kulka fühlte sich wohl häufig unverstanden und wurde auch von den wenigsten Studierenden verstanden. Er sprach immer in Bildern, suchte Parallelen zu Kunst, Musik und Literatur. Wichtig war für ihn immer die besondere Atmosphäre und die Aura eines Projektes. Häufig bezog er sich auf seine, wohl prägenden Erlebnisse in den Bombennächten Dresdens: „Wenn ich Deinen Entwurf sehe, muss ich an die gelbe Hose denken, die ich damals im Bunker getragen habe, an der fehlte ein Knopf. Und genau dieser Knopf fehlt auch an Deinem Entwurf.“; oder auf seine spektakuläre Flucht aus der DDR als Monegassischer Diplomat mit einem Bauernmädchen als Sekretärin. Kopfschütteln bei vielen Kommilitonen: „Der Kulka ist verrückt!“

Entwurfsthemen waren stets anders als bei anderen Professoren, der Weg zum Erfolg, bei den meisten Lehrenden absehbar, war bei Peter Kulka stets so unberechenbar wie seine Reaktionen und häufig lautstarken Kritiken. Eine vorgefasste Meinung war ihm fremd. Immer hat er uns gefordert, aber auch gefördert mit seiner unnachahmlichen Art, begeistert und verstört, Zeichnungen zerrissen und Modelle umgedreht („So, nun ist dein Entwurf schlüssig.“). Er hat uns die Augen geöffnet für eine unkonventionelle, reduzierte, angemessene, für eine eigene architektonische Haltung. Sein Credo war immer die Suche nach der Einheit von Raum, Körper und Konstruktion, nach einer hervorragenden Lösung für den jeweiligen unverwechselbaren Ort und die einzigartige gestellte Aufgabe.

Nach meinem Diplom hat mich Peter Kulka 1990 in sein Büro nach Köln geholt, das damals zwei Mitarbeiter und seine Cousine als Sekretärin beschäftigte. Das Büro war im ehemaligen Schwimmbad eines Hochhauses situiert. Begleitet von lautstarker, klassischer Musik entstanden hier die Entwürfe für Ferienhäuser in Irland, die Siemens-Verwaltung in Düsseldorf und den Landtag in Dresden. Das Büro war ganz auf die Person Peter Kulkas ausgerichtet. War er mal wieder in Aachen, dann stagnierte die Arbeit; war er im Büro, dann war er ungemein präsent und intensiv. Wenn die Kreativität einmal an ihre Grenzen kam, hat er uns in die Kölner Museen entführt und sein Verständnis von Kunst und Architektur erläutert.

Häufig durfte ich Peter Kulka zu Kolloquien eingeladener Wettbewerbe begleiten. Kulka, stets in Lederjacke und Wollmütze, hatte die Auslobung selbstverständlich nie gelesen, allen Anwesenden aber schon nach kürzester Zeit Sinn oder Unsinn der gestellten Aufgabe erklärt. Später, als sein Stellvertreter, musste ich den wortgewaltigen, sich völlig in Rage redenden Peter Kulka mehrfach aus Preisgerichten „zur Beruhigung“ nach draußen begleiten.

Peter Kulka hat nie gezeichnet, oder ich habe es nicht bemerkt; aber er hatte ein unvergleichliches Talent, Menschen unterschiedlichster Auffassung zusammenzubringen und durch seine bloße Anwesenheit und leise oder lautstarke Bemerkungen zu beflügeln und zu architektonischen Höchstleistungen zu bringen. Wer ihn nicht verstand, oder wen er nicht verstanden hat, der war nicht lange in seinem Büro.

Nach zwei Jahren Mitarbeit, das letzte davon in Dresden, habe ich den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Das Dresdner Büro war mittlerweile beträchtlich gewachsen und nach Kulkas Vorliebe in einer leerstehenden Druckerei provisorisch eingerichtet. Peter Kulka hatte es tatsächlich geschafft, gegen alle Widersacher und Skeptiker aus Politik und Architektenschaft mit einer flammenden Rede vor dem Landesparlament den Auftrag zum Neubau des ersten Landtages in den neuen Bundesländern ins Büro zu holen. Mein kurzer Abschied war von seinen Worten begleitet: „Hast Du dir das auch gut überlegt?“ Und: „Dann sind wir wohl ab heute Konkurrenten!“

Später habe ich Peter Kulka öfters in Köln oder in seinem Dresdner Büro besucht. Besonders beeindruckend war ein Zusammentreffen in seinem Haus in den Weinbergen bei Meißen, das er zum Leidwesen seiner „spießigen Nachbarn“ (Peter Kulka) komplett hatte blau streichen lassen „Claus, passt dieses Blau nicht phantastisch an diesen einzigartigen Ort?“ Jährlich habe ich ihn zu seinem Geburtstag angerufen, um mir, nach seiner eher rhetorischen Frage zu meiner Arbeit, einen umfassenden Vortrag zu seinen neuesten Projekten anhören zu dürfen. Nur bei meinem Anruf im letzten Juli klang er eher verhalten, nicht so energisch wie sonst. Aber wie bei all unseren Begegnungen habe ich auch bei diesem Telefonat den deutlichen Energiefluss (m)eines Meisters und Lehrers der Architektur gespürt. - Leider zum letzten Mal.

Der Tod Peter Kulkas hinterlässt eine große Lücke in der Architektenschaft. Was bleibt, sind die Erinnerungen an einen auratischen Lehrer und unkonventionellen wie streitbaren Architekten, der viele von uns inspiriert hat. Und der in unseren Entwürfen weiterlebt.“

Text: Claus Anderhalten (Anderhalten Architekten, Berlin/Köln)

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