© LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland - Wolf, Silvia Margrit
Freiheitsring und Keimesstraße, 50226 Frechen
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Objekt hat Auszeichnung
Objekt ist denkmalgeschützt
Objekt ist als Kulturdenkmal auf der Liste der UNESCO-Weltkulturerbe verzeichnet
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1926–1929
Hochbauamt Frechen
Julius Gatzen
(Architekt)
Georg Klein
(Bauingenieur)
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Objektanzahl: 2516
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Das bis dahin landwirtschaftlich geprägte Frechen, unweit von Köln, war seit dem Ende des 19. Jahrhunderts infolge der Industrialisierung explosionsartig gewachsen. 1929 waren 85 Prozent der 15.000 Einwohner Frechens Arbeiter, die ihr Geld in der Braunkohle-, Steinzeugwaren- und Keramikindustrie verdienten. Der in Eigenregie der Gemeinde durchgeführte soziale Wohnungsbau war, wie vielerorts, auch hier ein Gebot der Zeit. In Frechen ging die Initiative dazu vom Bürgermeister Dr. Peter Toll aus, der ab 1928 eine eigene Hochbauabteilung mit dem Architekten Julius Gatzen und dem Bauingenieur Georg Klein installieren ließ.
Im Vergleich zum Dürener Grüngürtel, wo die Stadterweiterung in einem Außenbezirk vollzogen wurde, war das Siedlungskonzept in Frechen städtischer gedacht: Die zwischen 1926 und 1929 erbaute Siedlung umfasste die im Bogen nach Norden verlaufende Blumenstraße (heute Keimesstraße) und einen Abschnitt entlang dem neu als Autostraße angelegten Freiheitsring. Sie schuf eine Verbindung zwischen einer Bergarbeitersiedlung und dem alten Ortskern. Den Auftakt bildet nördlich der Hasenweide ein Platz (heute eine Kreuzung), der im Nordwesten von einem verputzten Wohn- und Geschäftsgebäude begrenzt wird, das als Frechens erstes flach gedecktes Haus gilt. Dann schließen sich zu beiden Seiten der Blumenstraße zwei Reihen von Einfamilienhäusern an, die in ihrer gestaffelten Anordnung dem Straßenverlauf folgen und zum Freiheitsring führen. Mit ihren bunt bepflanzten Keramikblumenkästen dürften sie einst wie ein festliches Spalier gewirkt haben, das auf den fulminanten Blickpunkt der Siedlung zuführte – den hohen Torbogen zwischen den beiden Mehrfamilienhäusern, die parallel zum Freiheitsring liegen. Dahinter schließen sich Grünanlagen und Spielplätze an. Auf der südlichen Seite des Freiheitsrings erstrecken sich mit einem Wohn- und Geschäftshaus, einem dritten Mehrfamilienhaus und Reihenhäusern weitere Teile der Siedlung.
Julius Gatzens Anliegen war es, hygienische, praktische und ansprechende Wohnformen in hoher baugestalterischer Qualität zu entwickeln, die den Bedürfnissen der jeweiligen Bewohnerschaft entgegenkamen und zugleich möglichst kostensparend waren. Dazu erarbeitete er eine Reihe verschiedener Bauideen.
Für kinderreiche Arbeiterfamilien entstanden zunächst 36 Einfamilienreihenhäuser an der heutigen Keimesstraße: Auf 65 Quadratmetern Gesamtwohnfläche waren im unterkellerten Erdgeschoss ein kleiner Flur mit WC sowie eine Wohnküche mit Zugang zum Selbstversorgergarten untergebracht. Im Obergeschoss befanden sich zwei Schlafzimmer und im spitz ausgebauten Dach ein drittes Schlafzimmer sowie ein kleiner Speicher. Ein Bad war nicht vorgesehen – eine Waschgelegenheit gab es in der mit Steinboden versehenen Kochnische. In einem späteren Bauabschnitt entstanden in östlicher Richtung am Freiheitsring schmalere Reihenhäuser mit weniger Wohnfläche.
Bei den Mehrfamilienhäusern versuchte Gatzen sich in einer neuen Bauform – dem Laubenganghaus. Über vorgelagerte, überdachte Außengänge gelangen die Bewohner dabei direkt in ihre Wohnungen. Ein großer Vorteil dieser Form, die insbesondere für Häuser mit Kleinwohnungen geeignet war, lag in der Kostenersparnis: Es musste weniger Raum umbaut werden und deutlich mehr Wohnungen konnten über ein Treppenhaus erschlossen werden als dies bei herkömmlichen Mehrfamilienhäusern der Fall war. Auch die Belüftung der Häuser, die durch die offenen Gänge gewährleistet war, spielte als Argument für Laubenganghäuser eine Rolle. Die Frechener Laubenganghäuser gehören in Deutschland zu den frühesten Beispielen dieses im Neuen Bauen wichtigen Themas. Zuerst hatte wohl Paul Frank sie in der Hamburger Siedlung Heidhörn 1926/1927 erprobt. Etwa zeitgleich mit Frechen entstanden Laubenganghäuser u. a. in Frankfurt, Berlin und Dessau.
Auf der nördlichen Seite des Freiheitsrings (Nr. 71 und 73) wurden, eine Bogendurchfahrt flankierend, in zwei flach gedeckten Gebäuden insgesamt 30 Wohnungen untergebracht. Nur jeweils ein Treppenhaus erschließt die auf drei Etagen verteilten 15 Wohnungen. Die Grundrisse mit zwei Schlafzimmern und Wohnküche waren auf Familien mit ein oder zwei Kindern, kinderlose Ehepaare oder Alleinstehende zugeschnitten. Aufgrund der günstigen Bauweise als Laubenganghaus ergab sich eine Kostenersparnis gegenüber den Einfamilienhäusern von ca. 20 bis 25 Prozent. Individuelle Bäder gab es zwar auch hier nicht, doch dafür boten insbesondere die Gemeinschaftseinrichtungen mit elektrischen Waschmaschinen, Trockenräumen und Gemeinschaftsbädern modernen Komfort.
Neben Backstein und Klinker aus Frechen, war es vor allem die von Franz Albermann künstlerisch gestaltete und von der Firma Kalscheuer produzierte Baukeramik, die den Bauten ihren individuellen Charakter verlieh.
Autor*in: Birgit Gropp
Zuletzt geändert am 30.09.2020
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Kategorien:
Architektur » Wohnbauten » Mehrfamilienhäuser/Wohnsiedlungen