Bahnhofstraße 18, 32312 Lübbecke
1976-79
Adolfo Natalini | Architekturkollektiv Superstudio
Architektur (Adolfo Natalini)
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Das Gebäude der zentrumsnahen Bahnhof-Apotheke in der ostwestfälischen Mittelstadt Lübbecke gilt als eines der ersten postmodernen Bauwerke Deutschlands. Als eines der wenigen realisierten Bauvorhaben des italienischen Architekturkollektivs Superstudio zählt es zu den weltweit seltenen Entwürfen der neuen Architekturavantgarde der 1970er Jahre.
Die architektonische Strömung der Postmoderne, die als Reaktion auf den als baukünstlerisch zu uniform, rational und funktional wahrgenommenen Modernismus aufkam, erreichte ihre Hochphase in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren. Die stilistische Architektursprache der Postmoderne ist durch ihren Pluralismus und Eklektizismus gekennzeichnet, der unterschiedlichste Stileinflüsse, Formen und Materialien vereint. Merkmale wie die Dekonstruktion geometrischer Körper und die gestalterische Einbindung historistischer Elemente boten alternative Perspektiven des architektonischen Ausdrucks und prägten den Diskurs um Originalität, Ästhetik und gesellschaftliche Verantwortung in der Architektur.
Das im Jahr 1966 in Florenz gegründete Architekturkollektiv Superstudio betrachtete Architektur nicht primär als Bautätigkeit. Das avantgardistische Kollektiv um Mitbegründer Adolfo Natalini strebte danach, durch Zeichnungen, Collagen, Filme und Architekturvisionen die vorherrschende Baukunst kritisch zu hinterfragen. Obwohl Superstudio vorrangig für designorientierte Entwürfe wie Möbel oder Collagen bekannt war, umfasst ihr Werk auch realisierte Bauvorhaben, deren Gestaltung wesentliche Merkmale ihrer sonstigen Arbeiten aufgreifen. Bis zur Auflösung der Gruppe Mitte der 1980er Jahre bestand das zentrale Element ihrer Entwürfe aus der Abstraktion eines raumbildenden Rasters quadratischer Flächen.
Inmitten der gewachsenen Baustruktur aus Wohn- und Gewerbebauten mit Schrägdächern und Lochfassaden sticht in der Lübbecker Bahnhofstraße ein geometrisch klar gegliederter, blaugrau gefliester Kubus mit bandartigen vertikalen Fensterelementen heraus. Die gartenseitige Hanglage und die Ergänzung des Kubus mit U-förmigen Strukturen für das Treppenhaus und das mit Bleiblechen verkleidete Tonnendach verleihen dem Bauwerk eine einzigartige Erscheinung. Der Innenraum des dreigeschossigen Wohn- und Geschäftshauses wird durch aufstrebende Glasprismen mit streng gerasterten Rahmen belichtet, im Dachgeschoss folgt ein kreisrundes Fenster der Proportion der Dachform. Das gesamte Gebäude wirkt wie ein Kubus, der von unterschiedlichen Körpern durchdrungen, ergänzt und erweitert wird.
Der Apotheker Rainer Krause, ein Liebhaber italienischen Designs, kontaktierte bereits 1974 Superstudio mit dem Wunsch, einen Neubau seiner Apotheke zu entwerfen. Beeindruckt von der poetischen Qualität einer von Rainer Krause eingereichten Skizze eines runden Treppenhauses, entwickelte Superstudio zwei Entwürfe für das Grundstück an der Bahnhofstraße. Superstudio-Mitbegründer Adolfo Natalini, dessen Entwurf der Idee des Apothekers und Bauherrn Rainer Krause folgte, überlagerte mehrere geometrische Ordnungen, die sich aus Körpern und Flächen ergaben. Sie bestimmen seinen Entwurf nicht nur im Grundriss, sondern auch in der erkennbaren Außenform. Die so erreichte Abstraktion des postmodernen Gebäudes steht unmittelbar im Widerspruch zur umliegenden Bebauung. Trotz des kontrastrierenden Charakters des Entwurfes gliedert sich dessen Kubatur passend in die Baustruktur ein.
Rainer Krause, der neben der Apotheke im Erdgeschoss auch eine Arztpraxis und eine Dachgeschosswohnung einplanen ließ, trug mit seiner direkten Anfrage bei Superstudio maßgeblich zur architektonischen Postmoderne Nordrheinwestfalens bei. Er selbst beendete später seine Tätigkeit als Apotheker und gründete in den 1980er Jahren die Designgalerie “quartett” sowie das Beratungsunternehmen „Design...Connections“. Sowohl als privater Sammler, Unternehmer und Bauherr hat Rainer Krause die ostwestfälische Design- und Kulturgeschichte um avantgardistische Werke bereichert.
Autor*in: Redaktion baukunst-nrw
Zuletzt geändert am 07.05.2024
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