Soest, Brüggering 7, Taubstummenanstalt, Ansicht von der Straße

Soest, Taubstummenanstalt, Ansicht von Süden

Soest, Taubstummenanstalt, Ansicht von Südosten

Soest, Taubstummenanstalt, Ansicht von Nordosten

Soest, Taubstummenanstalt, Ansicht von Süden

Soest, Taubstummenanstalt, Ansicht von Südosten

Ehem. Taubstummenanstalt

Brüggering 7, 59494 Soest

1929-31

Moderne

Gonser und Geißler

Westfälische Provinzialverwaltung

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Ehem. Taubstummenanstalt

Ein bedeutendes Zeugnis der Moderne steht am Rand der Soester Innenstadt und somit auch im Schatten der Soester Altstadt mit ihren berühmten Bauten. Bedeutend ist die ehemalige Taubstummenanstalt am Brüggering aber nicht nur in architektonischer Hinsicht, sondern auch, weil sie uns etwas über ihre Bewohner und deren Leben erzählen kann. Gebaut wurde die Taubstummenanstalt im Jahr 1929 als Internat. Es sollte ein Ort geschaffen werden, an dem die Schülerinnen und Schüler unter ihresgleichen möglichst unbeschwert leben konnten. Die nahe Innenstadtlage wurde allerdings bereits bewusst als inklusive Maßnahme gewählt, lange bevor es dieses heute vielfach bemühte und diskutierte Wort überhaupt gab. Wenn ein Ziel des Neuen Bauens der Zwischenkriegsjahre nichts weniger als die Schaffung eines neuen, besseren Menschen war, so ist dies im Soester Beispiel besonders wichtig. Schließlich strebte die Soester Taubstummenanstalt nicht nur eine bis dato übliche Verwahrung von Menschen mit einer Behinderung an, sondern stellte ganz explizit eine ganzheitliche Förderung in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Dafür war vor allem eine starke farbliche Gestaltung von Interesse, da hierdurch die Gehörlosen besonders angesprochen werden sollten. Diese Farbigkeit ist heute leider nur noch in sehr verminderter Form zu sehen. Das Gebäude beeindruckt zunächst einmal in seiner Monumentalität: ein langgestreckter, dreigeschossiger Bau erstreckt sich entlang des Brüggerings. Markant treten drei breite Risalite aus dem Haupttrakt hervor. Die breiten Fenster werden von Soester Grünsandstein gerahmt. Zwischen den Geschossen sind die Mauerflächen weiß verputzt, sodass die Risalite eine gleichmäßige rhythmische Schichtung vorweisen. Die zurückgesetzten Fassadenbereiche sind ebenfalls weiß verputzt. Die abwechslungsreiche Oberflächengestaltung ist an sich bereits wirkungsvoll. Doch wie muss das Gebäude erst ausgesehen haben, als die Fensterrahmen noch in Blau, Grün und Orange abgesetzt waren, und die Fallrohre in Kobaltblau geleuchtet haben? Farbe war im Neuen Bauen ein beliebtes Mittel: Zuvorderst konnte es der Zierde eines Gebäudes dienen. Denn auch, wenn wir heute oft Bauten der Moderne mit „weißen Kästen“ assoziieren, so waren farbliche Fassungen weit verbreitet, und nicht wenige Häuser waren gar nicht weiß, sondern bunt verputzt! Die Wahl der Farben an der Soester Taubstummenanstalt ähneln denjenigen in der Iserlohner Bauhaus-Siedlung Schlieper. Sie erinnern an französische Vorbilder, etwa von Le Corbusier, der in einer Siedlung bei Bordeaux eben diese Farben fast schon verschwenderisch nutzte.

Das einzige Überbleibsel der farblichen Strahlkraft der Taubstummenanstalt findet sich heute im Innenraum: ein Fries, auf dem spielende Kinder dargestellt sind, begrüßt den Eintretenden im Haupttreppenhaus und verweist heute noch auf die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes. Ebenso sind typische Gestaltungsmerkmale der 1920er Jahre in den Oberlichtern der ehemaligen Klassenraumtüren erhalten, sowie in den schlichten Formen des Treppengeländers.

Die Taubstummenanstalt war nach ihrer Einweihung im Jahr 1931 nur acht Jahre in Betrieb. Nach dem Krieg wurde hier ein Militärlazarett der Alliierten eingerichtet. Glücklicherweise waren die dazu erforderlichen Umbauten offenbar so gering, dass der Originalzustand annähernd wieder hergestellt werden konnte. Die heutige, vielfältige Nutzung ermöglicht zumindest den Zugang zum Erdgeschoss, sodass der Kinderfries nach wie vor besichtigt werden kann. Als ein seltenes Beispiel für die Verbindung von Architektur und Kunst der Moderne in Westfalen lohnt sich hierfür der kurze Fußmarsch aus der Innenstadt auf jeden Fall!

Autor*in: Dr. Viviane Taubert, Dr. Stephan Strauß (Strauß Fischer Historische Bauwerke, Krefeld/Bremen), im Auftrag der LWL-DLBW
Zuletzt geändert am 22.04.2020

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