Renaissance (vom italienischen ‚rinascità‘, Wiedergeburt) bezeichnet in der Architektur die von Italien ausgehende Stilrichtung des 15. und 16. Jahrhunderts, der beginnenden Neuzeit. Der Begriff wurde von der französischen Kunstliteratur des 19. Jahrhunderts geprägt. Giorgio Vasari bezeichnet 1558 in seinen Künstlerbiographien die italienische Kunst des 14. bis 16. Jahrhunderts in Abgrenzung zum Mittelalter als ‚rinascità‘, als Wiederbelebung der guten Kunst.
Die geistesgeschichtlichen Voraussetzungen für die Renaissance bilden Humanismus und Reformation bzw. Gegenreformation, die neue Ideale und ein neues Menschenbild hervorbringen: Der mittelalterliche Gott soll durch den Menschen als Maß der Dinge ersetzt werden. In den neuen Lebens-, Kunst- und Gesellschaftsformen besinnt man sich auf die römisch-antike Kultur zurück.
Neben der Orientierung an römisch-antiken Vorbildern und später auch an griechischen, hellenistischen und byzantinischen, greift die Renaissance auf die florentinische Protorenaissance des 11. und 12. Jahrhunderts zurück.
Die Stilepoche lässt sich in Früh-, Hoch- und Spätrenaissance bzw. Manierismus einteilen.
In der Frührenaissance des 15. Jahrhunderts werden ab 1420, beginnend mit der Skulptur, in allen Gattungen die Grundlagen für die Kunst der folgenden Jahrhunderte geschaffen. Die Frührenaissance ist auf Italien beschränkt, nördlich der Alpen verschiebt sie sich um rund 100 Jahre. Die Architektur des 15. Jahrhunderts im nordalpinen Raum ist spätgotisch.
Zentrum und Geburtsstätte ist Florenz. Auftraggeber ist das reiche Bürgertum; die ersten Bauten der Renaissance werden von den führenden Familien der Republik Florenz gestiftet.
Als Initialbauten gelten die 1419 begonnene Grabkapelle der Medici (Alte Sakristei) an San Lorenzo und die Konstruktion der Florentiner Domkuppel ab 1420, beide wurden von Filippo Brunelleschi entworfen.
Eine der bedeutendsten Neuerungen der Frührenaissance ist die Erfindung der Zentralperspektive.
1414 werden "Die Zehn Bücher der Architektur" von Vitruv aus dem Jahr 23 v. Chr. wiederentdeckt und dienen den Renaissance-Architekten fortan als wichtige Vorlage. Aus der antiken Architektur werden die klassischen Säulenordnungen (dorisch, ionisch, korinthisch, komposit), Giebel, Pilaster, Gebälk und Ornamentformen übernommen und zu harmonischen Baukompositionen, jedoch mit neuen Raumbildungen zusammengefügt. Die Fassade wird mit Säulen und Pilaster, Rustika, Risaliten und Verkröpfungen gegliedert. Die in der Gotik weitgehend aufgelösten Wände werden wieder geschlossen, Rippe und Spitzbogen kaum noch verwendet.
Die Renaissance ist von einem Streben nach Maß und Harmonie sowie einer Gliederung in wohlproportionierte, in ausgewogenen Verhältnissen zueinander geordneten Flächen bestimmt; Maße werden nach menschlichen Proportionen ausgerichtet. Als Ausgangspunkt dienen vielfach die idealen Formen von Rechteck und Kreis.
Als Idealform des Sakralbaus wird der überkuppelte Zentralbau angesehen; das wohl bekannteste Beispiel ist das Tempietto von San Pietro in Montorio in Rom (1502-03) von Donato Bramante.
Neben dem Stadthaus, dem Palazzo, entwickelt sich vor antikem Vorbild seit dem 14. Jahrhundert eine neue Bauaufgabe: Die Villa, ein unbefestigter Landsitz, die ihre Blütezeit im 16. Jahrhundert mit den Bauten des norditalienischen Architekten Andrea Palladio erreichte.
Um 1500 beginnt der Austausch zwischen der italienischen Kunst und der Kunst nördlich der Alpen: Mit Dürers Italienreisen in den Jahren 1494 und 1505-07, auf die weitere Künstler folgten, beginnt die kurze Phase der Hochrenaissance, die für knapp 20 Jahre in ganz Europa Gültigkeit haben sollte.
Das Zentrum des Kunstschaffens wird nach Rom (nachdem die Päpste aus ihrem Exil in Avignon in die Ewige Stadt zurückkehrten) verlegt. 1504 ernennt Papst Julius II. Donato Bramante zum Architekten des Neubaus von St. Peter, der später von Michelangelo Buonarotti weitergeführt werden sollte.
Die Spätrenaissance, auch als Manierismus (von italienisch ‚maniera‘, Art und Weise) bezeichnet, bezieht sich auf die künstlerischen Strömungen von 1520 bis etwa 1600, in Deutschland bis etwa 1650.
Kennzeichen sind die reichere Dekoration und die Abwendung vom klassischen Ideal ausgewogener Harmonie. Der Manierismus neigt zur vertikalen Überlängung; daraus resultiert die Bevorzugung von Langbau vor Zentralbau. Tragende und lastende Architekturelemente verlieren ihre Funktion; Dekorationselemente wie Figuren, Balustraden und Girlanden lassen die Geschosseinteilungen der Fassade verschwimmen.
Die Hoch- und Spätrenaissance nördlich der Alpen bezieht sich vor allem auf den Profanbau.
Die kirchliche Architektur blieb – wie bereits erwähnt – zunächst spätgotisch. In der Hoch- und Spätrenaissance entstehen in Deutschland jedoch einige Jesuitenkirchen vor italienischem Vorbild; hier sei insbesondere St. Michael in München (1583-97) genannt.
Der niederländische Künstler Cornelis Floris de Vriendt (1514-75) entwickelt mit seinem Beschlag- und Rollwerk sowie Knorpel- und Ohrmuschelwerk manieristische Dekorationsformen, die ab Mitte des 16. Jahrhunderts in Nordeuropa Verbreitung finden. Der sogenannte Floris-Stil zeigt sich in Deutschland vor allem an den Rathaus- und Bürgerhausfassaden der Weser-Renaissance.
Deutsche Baumeister übernehmen den Renaissance-Dekor aus Musterbüchern und verzieren damit Fassaden von Wohnhäusern und Schlössern. Das Ornament überwiegt. Als eines der „reinsten“ deutschen Renaissancebauwerke gilt das Rathaus in Augsburg, das Elias Holl in den Jahren 1615-20 errichtete. Der 1556 begonnene Ottheinrichsbau des Heidelberger Schlosses im italienischen Stil nimmt hier eine singuläre Stellung ein.
Auf den Grundlagen der Renaissance sollte sich ab 1600 der Barock entwickeln, der ebenfalls von Italien (und dort von Rom) ausging.
Siehe auch Routen zu
Rathäuser der Renaissance
Rathäuser und Bürgerhäuser der Weserrenaissance
Weserrenaissance-Schlösser
Redaktion baukunst-nrw
Detailsuche mit weiteren Suchkriterien
Objektanzahl: 2519