Siegen, Graf-Luckner-Str. 28, Wohnhaus Meyer, Straßenansicht

Siegen, Graf-Luckner-Str. 28, Eingang und Seitenansicht

Siegen, Graf-Luckner-Str. 28, gestaffelte Baukörper an der Seitenfassade

Siegen, Graf-Luckner-Str. 28, Schrägansicht Gartenseite

Siegen, Graf-Luckner-Str. 28, Schrägansicht Eingangsseite und rechte Seitenfassade

Siegen, Graf-Luckner-Str. 28, Ausschnitt Straßenseite

Wohnhaus Meyer

Graf-Luckner-Str. 28, 57076 Siegen

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denkmalgeschütztes Objekt

1933-35

Moderne

Wilhelm Haardt

Annemarie und Hermann Meyer

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Wohnhaus Meyer

Das Wohnhaus in der Graf-Luckner-Straße besticht durch seine klare Gestaltung, die den Ideen des Neuen Bauens entspricht: hell verputzte Außenwände ummanteln einen nahezu würfelförmigen Baukörper, dem hier und da Anbauten und Erker angefügt sind. Es ist ein Haus mit zwei Wohngeschossen, das dank seiner Hanglage zur Straße hin auf einem Sockelgeschoss aus Bruchsteinen ruht. Hier befand sich einst die Garage, in den 1930er Jahren ein zukunftsorientiertes Statussymbol, denn ein Auto konnten sich diese Hauseigentümer damals noch nicht leisten. 

Der Innenraum des Hauses folgt den Prinzipien eines modernen Grundrisses: die Räume fügen sich in unterschiedlichen Größen aneinander, sodass hier und da kleine Nischen oder Erker entstehen. Den Großteil des Erdgeschosses nehmen Esszimmer, Herrenzimmer und Wohnzimmer ein, die mit Durchgangstüren verbunden sind. Hier finden sich noch viele originale und gut restaurierte Details,  zum Beispiel eine Deckenlampe im Wohnzimmer und die Zimmertüren mit ihren typischen Griffen.

Die Eingangstür ist mit einem halbrunden Vordach gegen die Witterung geschützt. Unter den vielen rechten Winkeln, die die Gestaltung des Hauses prägen, sticht die Form dieses Vordaches besonders hervor. Ein weiterer Eingang neben der Garage ermöglichte einen direkten Zugang zu den Kellerräumen. Vermutlich diente er auch der Anlieferung von Gütern. In den 1930er Jahren war es durchaus noch üblich, Lebensmittel geliefert zu bekommen, darüber hinaus gegebenenfalls Kohle oder Wäsche. Wie viele andere Haushalte verfügte auch dieser ganz selbstverständlich über Hausangestellte, wohl ein Hausmädchen und ein Kindermädchen, die im Dachgeschoss eigene Wohnräume hatten. Ein Kindermädchen  war bei den vier Kindern in der Familie Meyer unabdingbar. Personal war kein Zeichen für ein luxuriöses Leben, sondern für viele Familien eine Notwendigkeit, zumal es damals kaum technische Geräte gab, die die Arbeit hätten erleichtern können. 

Das Haus ließen sich Hermann und Annemarie Meyer bauen, die 1925 geheiratet hatten und von 1927 bis 1941 vier Kinder bekamen. Hermann Meyer (1897 - 1987) war seit 1928 Studienrat an einer Oberrealschule. Annemarie Meyer (1900 – 1976), geborene Sueßmann, war nach einem sozialpädagogischen Studium Krankenschwester geworden. Sie war jüdischer Abstammung, allerdings hatten bereits ihre Eltern diesen Glauben abgelegt. Gemäß den NS-Unrechtsgesetzen wurde Hermann Meyer zwei Jahre nach der Fertigstellung des Hauses aus seiner Stelle als Lehrer entlassen. Der Grund: er wollte sich nicht von seiner Frau scheiden lassen. Dem Verlust der Arbeit folgte die Verpflichtung zur Zwangsarbeit für Hermann und Annemarie Meyer sowie ihren ältesten Sohn Klaus. Die beiden größeren Kinder blieben allein im Haus wohnen, nachdem ihre Eltern verschleppt worden waren. Sie tapezierten einen Kellerraum und zogen dort ein. Sie hatten Angst vor einer Hausdurchsuchung und der eigenen Verschleppung und meinten aus diesem Raum über die Garage gut fliehen zu können. 

Die Familie überlebte mit Mühe. Annemarie Meyers Eltern war das nicht beschieden. Ihr Vater war Siegener Arzt und Medizinalrat mit Sitz im Rathaus Siegen. Er und seine Frau Else waren einst angesehene Siegener Bürger, deren Leben auf tragische Weise endete: obwohl sie bereits 1897 zum Protestantismus konvertiert waren, sollten sie aufgrund ihrer jüdischen Abstammung 1942 nach Theresienstadt deportiert werden. Stattdessen begingen sie gemeinsam Suizid. Es ist leicht vorstellbar, dass das Schicksal ihrer Eltern Annemarie Meyer schwer belastet haben wird. 

Da der Bau des Hauses in die Zeit des Nationalsozialismus fällt, in der die Formen des "Neuen Bauens" als "entartet" gebrandmarkt wurden, ist das Haus in seiner offenkundigen Abweichung von der NS-Baunorm eine bemerkenswerte Bauleistung - nicht nur vor dem Hintergrund seiner jüdischen Geschichte. Ob dieser Entwurf eine mutige Tat der Widerständigkeit gegen das Regime war oder dem ungefährdeten intellektuellen Wunsch nach einer eigenständigeren Gestaltung inmitten einer Reihe traditioneller Steildachhäuser entstammt, bliebe zu untersuchen. Das in der Idee des Neuen Bauens ruhende Versprechen nach einer neuen Lebensart, nach einem Wohnumfeld, das bestimmt war von klaren, reduzierten Formen, von Luft und Licht, konnten die Eheleute Meyer zunächst nur für kurze Zeit genießen. 

Das Haus in der Graf-Luckner-Straße steht jedenfalls für viele weitere Häuser der Moderne, die wir heute oft mit einem vorgeprägten Blick ansehen. Wir sehen und bewundern häufig nur die Architektur, die Geschichte der Bewohner bleibt uns in vielen Fällen verschlossen. Dabei waren viele Bauherren von Wohnhäusern der Moderne jüdischen Glaubens oder aber ihre Architekten waren es. Vor dem Wohnhaus von Artur und Else Sueßmann in der Achenbacher Straße 10 erinnern zwei Stolpersteine an sie. Das Haus in der Graf-Luckner-Straße verrät nichts von seinen Bewohnern, von der Entlassung aus dem Schuldienst und der Zwangsarbeit. Es erzählt anhand seiner Formen nur die Geschichte einer Architektur, die einst symbolhaft für den Aufbruch in eine neue Zeit stand. Die Geschichte der Familien Meyer und Sueßmann bezeugt, dass diese neue Zeit eine Utopie bleiben sollte, ehe eine andere neue Zeit ihre Hoffnungen brutal zerstörte.

Autor*in: Dr. Viviane Taubert, Dr. Stephan Strauß (Strauß Fischer Historische Bauwerke, Krefeld/Bremen), im Auftrag der LWL-DLBW
Zuletzt geändert am 22.04.2020

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Kategorien:
Architektur » Wohnbauten » Ein-/Zweifamilienhäuser

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