© LWL-DLBW - Dipl. Foto-Designerin Greta Schüttemeyer, Münster
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An den Sieben Gäßchen 9, 58636 Iserlohn
Legende für Merkmale
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1930
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Objektanzahl: 2519
58636 Iserlohn
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50735 Köln
Als sich der Iserlohner Rechtsanwalt Karl Klute 1930 einen geschmackvollen Wohnhausneubau schaffen wollte, beauftragte er mit Manfred Faber aus Köln einen seinerzeit prominenten jüdischen Architekten. Faber, der zuvor vor allem im Kölner Siedlungsbau tätig gewesen war, konnte hier ein individuell auf den Bauherren abgestimmtes Gebäude planen, das den gestalterischen Prinzipien des Neuen Bauens folgte. Heute ist der Blick auf die Villa von der Straße aus nicht mehr möglich, eine hohe Hecke isoliert das Gebäude. Das war bauzeitlich sicherlich anders. Diejenigen, die sich eine Villa im modernen Baustil in Zeiten wirtschaftlicher Not leisten konnten, wollten dies zumeist auch gerne zeigen.
Hinter der dichten Eibenhecke verbirgt sich heute ein Schatz, der in Iserlohn seinesgleichen sucht. Das Haus ist ein rhythmisch arrangierter flacher Bau, der durch geschickte Vor- und Rücksprünge in der Mauerflucht alles andere als ein starrer weißer Kasten ist. Zur Straßenseite hin öffnet sich das Gebäude im Erdgeschoss durch einen weit überdachten Terrassenbereich. Am linken Ende der Terrasse sorgt eine konvexe Glaswand für einen extravaganten Übergang zwischen Haus und Garten. Dieser Viertelkreis wird am anderen Ende der Terrasse im Halbrund der Überdachung erneut aufgegriffen. Die Rundung markiert den Endpunkt des breiten Wandabschnitts, der sich über der Terrasse erhebt. Eine markante dunkle Linie an der oberen Kante dieser Wandfläche fungiert im rechten Abschnitt zugleich als Brüstung, hinter der sich eine Dachterrasse verbirgt, die bis in das Halbrund ausgebaut ist. Der Dachaufbau ist vom Garten aus nur halb zu sehen, ein noch weiter zurückliegender Kubus gar nur zu erahnen. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass die Kontur des Hauses zur Straße hin in der Seitenansicht leicht ansteigt. Faber hat die Ansicht des Hauses also bewusst nach oben gezogen um die Staffelung der einzelnen Kuben zu betonen und eine besonders dominante Frontansicht zu erhalten.
Eher untypisch für das Neue Bauen kommen die beiden rechteckigen Stützen auf der Terrasse daher, die den Dachüberstand tragen. Das Neue Bauen bevorzugte schmale Stützen. Schließlich beweist eine dünne Stütze, die eine große Last trägt, den Mehrwert eines Stahlgerüstes, um das die Fassaden des Hauses wie eine dünne Haut herumgelegt sind. Fabers Entscheidung für die massiven Stützen ist hier allerdings durchaus schlüssig: genau von von vorne betrachtet, wirken sie schmal und elegant. Ihr tiefer Querschnitt wird erst in der Schrägsicht erkennbar! Das Spiel mit Formen und Flächen zeigt sich an Fabers Villa Klute also bis in kleine, auf den ersten Blick unscheinbare Details.
Die gebogenen Glaswände sind auch als Demonstration neuester technischer Errungenschaften im modernen Hausbau zu sehen. Die Herstellung gebogener Glasflächen war zuvor nur für kleine Formate möglich gewesen. Zwar geht aus den Entwurfszeichnungen hervor, dass die konvexe Glaswand aus mehreren senkrechten Einzelstücken zusammengesetzt war, doch auch diese müssen in sich gekrümmt gewesen sein um einen fließenden, runden Eindruck zu vermitteln. Diese Fensterflächen hatten ihren Preis. Klute wollte hiermit sicherlich seinen gesellschaftlichen Status darstellen, den der Architekt um eine Zurschaustellung seines avantgardistischen Verständnisses von Architektur erweiterte. Schließlich hatte kurz zuvor kein geringerer als Mies van der Rohe mit einer gebogenen Glaswand am Eingang vom Haus Tugendhat in Brünn für Aufsehen gesorgt. Damit reiht sich die Villa Klute ein in die Riege außergewöhnlicher Häuser des Neuen Bauens.
Einen bitteren Beigeschmack offenbart die Geschichte der Villa Klute bei aller architektonischen Brillanz dann aber doch: Karl Klute, langjähriger Geschäftsführer des Iserlohner Fabrikantenvereins, gehörte der rechten DNVP an und bildete 1933 als gewähltes Ratsmitglied eine Fraktionsgemeinschaft mit der NSDAP, während Manfred Faber am 15. Mai 1944 in Auschwitz ermordet wurde.
Autor*in: Dr. Viviane Taubert, Dr. Stephan Strauß (Strauß Fischer Historische Bauwerke, Krefeld/Bremen), im Auftrag der LWL-DLBW
Zuletzt geändert am 22.04.2020
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Kategorien:
Architektur » Wohnbauten » Herrenhäuser/Villen